Bild: © Plaion Pictures
Der Grundstein für das wilde Leben der amerikanischen Fotografin und Künstlerin Nan Goldin wurde schon in jungen Jahren gelegt - der unaufhörliche Zwang zu wachsen, Neues zu entdecken und sich aufzulehnen. Früh starb ihre Schwester Barbara, ihr Suizid wurde vertuscht, ihr Leidensweg davor war lang, eine der ersten Ungerechtigkeiten, die Goldin erlebte.
Doch die fast 70 Lebensjahre der Künstlerin haben bei ihr Spuren hinterlassen. Nach einer Medikamentenabhängigkeit 2014 nach einer Operation, hatte sie sich es nun nur Aufgabe gemacht gegen den Pharmakonzern Purdue Pharma und die Familie Sackler vorzugehen, die maßgeblich für die Opiuidkrise in den USA verantwortlich sind.
Hat sie Jahrzehnte zuvor begonnen während der Aidskrise gegen die Diskrimisierung und Stigmatisierung der Erkrankten zu kämpfen, so ist ihr neuer Gegner die Familie Sackler, dessen Name viele Wände und Gebäude von Museum weltweit schmückt. Mit großen und leidenschaftlichen Protestaktionen versucht Goldin die Kulturinstitutionen zu zwingen, kein Geld mehr von einer der mächtigsten Familien der USA anzunehmen. Bei diesen Protestaktionen begleitet sie die Dokumentation ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED, aber sie lässt auch Goldin immer wieder den Blick zurückwerfen, auf Erinnerungen, die oft kein Happy End haben konnten und immer noch schmerzen, denn das sagt Goldin selbst, dass das der Unterschied zwischen Erinnerungen und Geschichten sei. Das Ende von Geschichten kann man selbst bestimmen.
Und so kann dieser Film vielleicht auch eine Art Happy End haben, obwohl er von viel Schmerz und Leid erzählt, in der Vergangenheit wie heute.
Wie ein niemals müdes Pendel schwingt die Dokumentation zwischen diesen zwei Erzählsträngen hin und her. Dieses Wechselspiel bringt Unruhe in den Fluss, aber es ist wichtig zu wissen, was war, um zu verstehen, warum Goldin keine Ruhe geben will, geben kann. Nan Goldins Kampfgeist ist nie erloschen und das merkt man in jeder Minute in ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED: Eine aufwühlende Dokumentation über eine beeindruckende Frau. Bewegend, kämpferisch und niemals nachgebend.
Ab dem 25. Mai im Kino!
Regie: Laura Poitras
USA/2h 07min.
Bild: © Piffl Medien GmbH
Vier junge Menschen treffen in einem Ferienhaus an der Ostsee aufeinander. Der Sommer ist heiß, die Ostsee lockt mit Abkühlung, doch der Schriftsteller Leon versagt sich jeden Spaß. Er muss arbeiten. Obwohl er schon ein Auge auf die junge Nadia geworfen hat.
Aber sein Lektor hat sich angekündigt und durchblicken lassen, dass er Leons Manuskript nicht gut findet. Über allem droht ein Waldbrand, der sich unablässig zur Küste vor frisst und auch das Haus der Vier bedroht.
Christian Petzold präsentiert uns in ROTER HIMMEL nicht nur den gequälten und sich selbst manipulierenden Künstler, sondern schafft es, Liebe und Zuneigung in vielen verschiedenen Facetten in einem außergewöhnlichen Setting zu zeigen. Denn auch wenn das gefährliche Feuer die vier Protagonist*innen immer mehr bedroht, so inszeniert der Film die kleinen und großen Funken zwischen den Figuren doch sehr bedacht und sensibel, auch wenn sie nicht immer mit Zueignung gleichzusetzen sind. Dem Zuschauenden wird schnell klar, dass hier nichts dem Zufall überlassen ist. Jede Geste, jedes Wort, jeder Blick hat hier seinen auf den Millimeter genau bemessenen Platz. Ihre Bedeutungen offenbaren sich nur nach und nach.
Leons Unfähigkeit, das Begehren und die Hitze des Sommers übertragen sich auf uns und so schauen wir mit den vier Protagonist*innen zusammen gebannt hoch in den bedrohlich roten Himmel.
Der Film erzählt von zufälligen Begegnungen, die mit jeder Filmminute schicksalhafter werden, von verpassten Chancen und neuen Lieben. Petzold schafft es auch hier - wie so oft - die Zuschauenden teilhaben zu lassen an der atmosphärisch dichten Geschichte, die auch lange nach Verlassen des Kinosaales einen nicht loslässt, einer Liebesgeschichte, die lange im Gedächtnis bleibt.
Ab dem 20. April im Kino!
Regie: Christian Petzold
Deutschland/1h 42min.
Bild: © notsold Film
Die Welt von THE ORDINARIES ist etwas anders als unsere. Sie ist aufgeteilt in Haupt- und Nebenfiguren und Outtakes. Eine Nebenfigur hat nur begrenzte Dialogzeilen zur Verfügung und die Hauptfigur-sein ist alles. Natürlich! Diese kann sich frei bewegen und steht ganz oben in der gesellschaftlichen Rangliste. So gut wie alles ist Filmkulisse und eine Apparatur fest verbaut mit dem Herzen der Personen spielt gefühlvolle Filmmusik ab.
In dieser Welt hat die Protagonistin Paula die einmalige Chance, von einer Nebenfigur zur Hauptfigur aufzusteigen. Dafür arbeitet sie hart, doch mit dem Komponieren ihrer eigenen Filmmusik will es nicht so recht klappen. Mutig begibt sie sich auf die Suche nach ihrem Vater, denn der war auch Hauptfigur. Aber was sie auf ihrer Reise zu Tage fördert, könnte die ganze “Filmwelt” ins Wanken bringen.
Klingt alles erstmal ziemlich meta und ist es auch, es klingt aber auch nach einem wahr gewordenen Traum für Filmfans. Der Blick hinter die Kulissen ist freigelegt, kompromisslos, der behauptete Raum des Films enttarnt. Ein Film im Film im Film. THE ORDINARIES ist kein Making of. Der Film erlaubt uns den Schritt durch die Leinwand hindurch, während noch der Film läuft. Wer sich jetzt an den Film PLEASANTVILLE von 1999 mit Toby Maguire und Reese Witherspoon erinnert fühlt, jaaa so ähnlich, aber doch nicht ganz. Es geht hier vielmehr um den Blick auf den technischen Aspekt.
Was passiert eigentlich nach den Schnitten, zwischen ihnen? Was ist außerhalb des Blickfeldes der Kamera? Was machen eigentlich die Nebenfiguren, wenn ihr Satz aufgesagt ist?
Der Regisseurin Sophie Linnenbaum hat sich selbst gefragt, wie es sich anfühlen muss, nicht im Bild zu sein.
Und eigentlich ist das ganze Setting auch nur ein Instrument, wie in jedem guten Film. Es geht um wichtige Themen, wie Vorurteile, Stigmatisierung, Fake News, Rechtspopulismus und den Blick auf die, die im Abseits leben.
Und doch muss ich mir am Ende die Frage stellen, für wen dieser Film eigentlich ist? Etwas zu sehr zelebriert THE ORDINARIES die Zwei-Klassengesellschaft und das Verteufeln von Unperfekten und Normabweichendem, dass es auch dem Letzten auffallen muss, dass das nicht richtig ist. Das ermüdet sich mit der Zeit und doch geht der Film tief rein mit Anspielungen und versteckten Hinweisen aus Film und Fernsehen. Und das ist verdammt lustig und da liegt vielleicht auch der Kern. Es ist alles etwas überdreht. Sophie Linnenbaum wollte keine ernste Geschichte erzählen. Davon gibt es schon genug. Mit Ernsthaftigkeit kommt man bei diesem Film nicht weit. Dieser erzählt eine absurde, aber auch spannende Geschichte mit einem überwältigenden Worldbuilding und einer geradezu übersprudelnde Liebe fürs Detail.
Auch wenn ich glaube, dass ein Film mit so vielen Metaebene nicht etwas für jeden ist, Ein bisschen Filmaffin sollte man schon sein, hat man mit THE ORDINARIES etwas faszinierendes auf zweierlei Hinsicht gewagt, einmal den Blick in den Film hinein und, was einem vielleicht nicht sofort bewusst wird, mehr Witz und Selbstironie fern ab von Tatort und Til Schweiger in den Deutschen Film zu bringen. THE ORDINAIRES, mehr als gewöhnlich.
Ab dem 30. März im Kino!
Regie: Sophie Linnenbaum
Deutschland/2h 04min.
Bild: © Universal Pictures Germany
Lydias Társ Mantra ist Kontrolle. Das merkt man sofort. Gleich zu Beginn sehen wir, wie sie sich einen Anzug maßschneidern lässt. Aber auch in der Weise, wie sie arbeitet. Jeder Schritt ist genau geplant. Aber diese akribische Planung wirkt von Anfang an fragil.
Lydia Tár ist Dirigentin, eine sehr erfolgreiche, doch zu einer Sache hat es nie gereicht. Die Vollendung einer Sinfonie - ihr nächstes großes Projekt. Zunächst scheint alles wunderbar zu laufen. Doch langsam schleichen sich Schatten aus Lydias Vergangenheit ein, bis ihr Scheitern nicht mehr aufzuhalten ist.
TÁR ist groß, die langen Bilder schlucken einen, Cate Blanchett als Lydia ist mehr als eine Figur, sie ist eine Institution und der Sound, der Sound erschlägt einen, gnadenlos. Blicke machen sich selbständig. Der Schnitt arbeitet permanent gegen die Sehgewohnheiten.
Doch wie ein maßgeschneiderter Anzug schnell Gefahr läuft nicht mehr zu passen, spannen sich die Nähte in Lydias Leben immer weiter und man muss sich unweigerlich die große Frage stellen, kann ich Kunst von der Künstlerin trennen oder ist es irgendwann nicht mehr möglich? Wie viel verzeiht die Gesellschaft einem Genie?
Aber der Film ist mehr, mehr, als man es beim ersten Mal Schauen sehen kann und vielleicht schafft man es nie. Denn auch der Film schafft es nicht. Fasst 3 Stunden reichen nicht aus, um alle Aspekte aus zu erzählen. Man lechzt nach einer klaren Antwort, die man nicht bekommt, und man fragt sich zum Schluss, ob der Film sein ganzes Gewicht tragen kann, was er über die Stunden angesammelt hat, ob er das überhaupt wollte.
TÁR ist eine Kinoerfahrung, die für sich steht, einen fordert, überfordert, man sieht dabei zu wie der Stoff des Anzugs reißt, ohne dass jemals die Chance bestanden hätte, es zu verhindern.
Man bekommt Angst, Angst vor der Unberechenbarkeit der Geschichte, aber auch seiner Figuren. Wir tauchen tief hinab und schaffen es nur knapp vor dem Abspann wieder an die Oberfläche. TÁR packend und gewaltig!
Ab jetzt im Kino!
Regie: Todd Field
USA/2h 38min.
Bild: © Constantin Film Verleih
Regisseur David Wnendt ist das Beste, was Felix Lobrecht und seinem Roman SONNE UND BETON passieren konnte. Wer KRIEGERIN und ER IST WIEDER DA gesehen hat, weiß, dass Wnendt sich nicht vor schwierigen Themen und Settings scheut.
Aber worum geht es eigentlich? In den frühen 2000er lebt der Schüler Lukas mit seinem Vater im Problem-Ortsteil Berlin-Gropiusstadt. Mit seinen Kumpels Gino und Julius gerät er eines Tages zwischen die Fronten zwei verfeindeter Dealergruppen und soll am Ende 500 Schutzgeld zahlen. Die haben die Jungs natürlich nicht. Wie gut, dass Lukas Schule neue Computer angeschafft hat. Zusammen mit ihrem neuen Freund Sanchez schmieden sie einen todsicheren Plan.
Was sofort auffällt, wir haben 2003 und das spürt man an jeder Ecke: Die Nokiahandys, die alten VWs, die grünen Polizeiuniformen. David Wnendt fängt den 2000er Vibe wirklich perfekt ein. Genau so den gnadenlosen Sommer, in dem SONNE UND BETON spielt. Und etwas anderes fällt weniger ins Auge als dass es mehr ins Ohr geht. Der Slang, den Lukas und seine Kumpels sprechen, müssten vielen schon von der Buchvorlage bekannt vorkommen. So oft haben ich das Wort HURENSOHN selten in einem Film gehört, aber das ist Lukas Welt.
SONNE & BETON erzählt nicht nur von 4 Jungen, die zwischen den Hochhäusern von Neukölln groß werden, sondern auch von einer Parallelwelt, die ihre eigenen Hierarchien und Gesetze hat. Eine Welt, die gerne vergessen wird. Einer Welt voller Gewalt und Verwahrlosung. Und das könnte man dem Film auch leicht vorwerfen, dass er Gewalt verherrlichend ist, man kann Felix Lobrecht nicht mögen, aber so verpasst man die ganzen Feinheiten, die sich in der Grobheit dieses Filmes verbirgt. David Wnendt gelingt es mit den unverfälschten Beobachtungen von Felix Lobrecht, eine Geschichte von jungen Außenseitern zu erzählen, deren Zukunft ungewiss und doch ihr Platz in der Gesellschaft schon vorher bestimmt scheint. Roh, klar und mitreißend erzählt.
Ab jetzt im Kino!
Regie: David Wnendt
Deutschland/1h 59min.
Bild: © X Verleih
Der Geschichte von AUS MEINER HAUT habe ich zunächst nicht vertraut. Ich verbinde Körpertausch oft mit plumpen Witz und Klamauk. Das muss nicht immer schlecht sein, aber das deutsche Kino hat sich da bereits mit wenig Ruhm bekleckert. Ein ernstes Science Fiction-Drama gelingt nunmal nicht mit billigen Geschlechterklischees. Zu oft verlassen sich die Autoren auf den Tausch an sich. Die Gags werden schon kommen. Ja, die kommen, aber tiefer geht es dann meistens nicht.
AUS MEINER HAUT holt etwas an die Oberfläche. Der Film benutzt die Fiktion des Körpertausches um Themen Platz zu geben, mit denen ich nicht gerechnet habe. Obwohl ich mit dem esoterischen Vibe des Films zunächst nicht viel anfangen konnte, umgeht der Film so die Gefahr, durch eine zu eindeutige Darstellung des Science Fiction-Elements seine Ernsthaftigkeit zu verlieren.
Aber worum geht es eigentlich: Leyla und Tristan werden von einer Freundin auf eine mysteriöse Insel eingeladen. Dort soll es möglich sein, den Körper mit jemandem anderen zu tauschen. Das gelingt auch und die beiden tauschen zunächst ihre Körper mit einem anderen Paar: Fabienne und Mo. Doch plötzlich will Leyla den Tausch nicht rückgängig machen, wie es geplant war. Jetzt zeigt sich, was der eigentliche Grund ist, wieso Leyla und Tristan den Schritt gewagt haben. Ihre Beziehung läuft nicht gut. Leyla ist krank und das setzt nicht nur ihr immer mehr zu, sondern auch Tristan und der Beziehung. Durch den Tausch geht es ihr wesentlich besser.
Jeder ist in diesem Film irgendwann jeder. Das ist ein paar Mal etwas verwirrend, aber hier haben die Schauspieler*innen wirklich ihr Talent unter Beweis stellen können und wer in wem gerade steckt, ist schnell zu erkennen.
AUS MEINER HAUT nimmt sich eines schweren Themas an. Die Darstellung und Inszenierung von Depressionen und mentaler Krankheit, besonders in der Beziehung, gelingt hier so auf den Punkt, wie ich es selten in einem Film gesehen habe. So fühlt sich Depression an. Es ist hart, Leyla dabei zuzusehen, wie sie leidet.
Obwohl ich anmerken muss, dass ich die Behauptung, eine andere Körperchemie könnte Depressionen behandeln oder sogar heilen, etwas bedenklich finde, da Depressionen eine schwere Krankheit darstellen und viele Faktoren dabei eine Rolle spielen und jedem etwas Anderes helfen kann. Trotzdem wird hier ein interessantes Gedankenspiel gewagt.
Es ebnet den Weg für viele Fragen, die für die Figuren, aber auch die Zuschauenden aufkommen. Was hält eine Beziehung aus? Wie weit gehen Liebe und Zuneigung? Was liebe ich an meinem Partner, meiner Partnerin eigentlich? Kann ich ihn oder sie noch lieben, wenn sie anders aussieht, ein anderes Geschlecht hat? Die Variabilität von Sexualität und Zuneigung bekommen hier so natürlich und wertfrei ihren Platz, dass es mich einfach umgehauen hat. Zählt nicht am Ende nur der Mensch? Unabhängig von Geschlecht und Äußerem?
AUS MEINER HAUT erzählt eine außergewöhnliche Geschichte, die so gehaltvoll und themenschwer ist, dass es nicht immer leicht zu ertragen ist, aber wie ich finde absolut sehenswert. Mich hat AUS MEINER HAUT kalt erwischt und seit dem nur selten wieder losgelassen. Im deutschen Kino bitte gerne mehr davon.
Ab dem 2. Februar im Kino!
Regie: Alex Schaad
Deutschland/1h 44min.
Bild: © Salzgeber & Company Medien
Die Schülerin Joanna in dem schwedischen Coming-of-Age SO DAMN EASY GOING hat ADHS und das nicht zu knapp. Das geht so weit, dass sie Blitze vor ihren Augen sieht und ihre Außenwelt irgendwann gar nicht mehr filtern kann. Deswegen braucht sie auch dringend ihr ADHS-Medikament. Doch plötzlich fehlt das Geld dafür und dann gibt es da noch dieses neue Mädchen in Joannas Klasse. Joanna verknallt sich Hals über Kopf und auch Audrey scheint sie zu mögen.
SO DAMN EASY GOING ist in vielen Punkten besonders. Allein schon das Sounddesign macht deutlich, wie sich Betroffene in unserer lauten Welt fühlen. Plötzliches Autohupen, piepende Straßenbahnen und das schrille Handyklingeln. Bewusst sind hier die Umgebungsgeräusche lauter, weil auch Joanna sie so wahrnimmt. Und auch die weibliche Protagonistin ist nicht selbstverständlich. Lange wurde ADHS bei Frauen selten oder gar nicht diagnostiziert. Hier zeigt uns die Kamera ihre Wahrnehmung und wie schwierig es sein kann, fokussiert zu bleiben. Der Regisseur hat lange mit Betroffenen gesprochen und das merkt man.
Die Geschichte mag an manchen Stellen vielleicht nicht absolut rund sein, was der Übertragung von Buchvorlage zum Film geschuldet sein kann und natürlich gibt es ADHS in wesentlich schwächeren Formen und oft muss ein Medikament nicht die Lösung sein, aber der Film macht deutlich, dass die Krankheit keine Ausrede ist, wie viele behaupten,, sondern nimmt uns mit in einen Alltag, der manchmal nicht so easy going ist und der so selten Platz auf der Leinwand findet. Meine absolute Empfehlung.
Ab dem 12. Januar im Kino!
Regie: Christoffer Sandler
Schweden, Norwegen/ 1h 31min.
Bild: © missingFilms
In der Dokumentation GARAGENVOLK hat die Regisseurin Natalija Yefimkina Menschen im Norden Russlands in ihren “Hobbyräumen” besucht. Eine Fläche von unzähligen Garagen am Rande einer kleinen Stadt. Gebaut aus Holz, Beton und blankem Metall. Hinter dem Polarkreis sind die Nächte lang und kalt. Ein Bergwerk der einzige Arbeitgeber. Hinter den großen Türen verbergen sich Werkstätten, Fitnessräume, eine Wachtelzucht und auch ein Bandproberaum. Eine Garage ist bis zu vier Etagen unterkellert. Victor hat fast sein ganzes Leben daran gearbeitet.
Die Regisseurin hat es in einem 4 Jahre dauernden Produktionsprozess geschafft diesen Menschen unglaublich nahe zu kommen und damit eine Art Parallelwelt aufzudecken. Damit gibt sie den Blick frei auf Sehnsüchte und Leidenschaften, aber auch auf die Seele des einfachen russischen Mannes und der russischen Frau, die hier selten wie nie ihre Wärme, aber ihr Potential offenbaren.
Aber auch das Schicksal der Protagonisten wird deutlich. Während noch die jungen Leute der Musikband vom Weggehen und Zukunft sprechen, scheint die Zukunft der anderen besiegelt. Alkoholismus und der Tod sind allgegenwärtig. Natalija Yefimkina erzählt in ihrer Dokumentation von der Tragik und dem Schmerz des Lebens, lässt aber auch Raum für das Komische, was genauso zum Leben dazu gehört, wie das Sterben. Eine intime Dokumentation, die man auf jeden Fall auf der großen Leinwand sehen sollte.
Ab jetzt im Kino!
Deutschland/95 Minuten
Bild: © UCM.One
In dem deutschen Drama ALBTRÄUMER hat sich Rebekkas Bruder Dennis umgebracht, vor 2 Jahren. Ob das jetzt eine angemessene Zeit ist um den Verlust zu verarbeiten oder ob man nie damit aufhören wird, sei dahingestellt, doch man bekommt schnell das Gefühl, dass mehr als stilles Trauern in dem kleinen Dorf in dem Rebekka mit ihren Eltern lebt nicht gerne gesehen wird. Als dann beim jährlichen Besuch des Grabes der beste Freund des Bruders, Vincent, auftaucht und beginnt alte Wunden wieder aufzureißen, fängt Rebekka endlich an das Schweigen und den Tod von Dennis mehr zu hinterfragen. Dabei kann sie es nicht verhindern Vincent näher zu kommen.
ALBTRÄUMER wirft ein mitten in das Setting eines Bilderbuch-Coming-of-Age Dramas und zunächst scheinen auch die einzelnen Rollen geklärt. Rebekka, die brave Tochter mit festem Freund, die vorzeige Eltern, die doch so gut um ihren Sohn trauern können und Vincent, der böse Unruhestifter, den man am liebsten weit weg haben möchte. Doch je mehr man beginnt in den immer noch bestehenden Schmerz von Rebekka, aber auch in den von Vincent abzutauchen, sieht man, was eigentlich hinter dieser Einfamilienhaus-Idylle und dem Suizid von Dennis steckt.
Der Film erzählt von Trauer, Verlust und Schmerz. Davon dass man einen Geliebten Menschen vielleicht sein ganzes Leben Lang vermissen wird, aber auch wie man ihm trotzdem immer noch nah sein kann. Er erzählt davon, dass Trauer keine Stille saubere Angelegenheit ist und dass die falschen Entscheidungen manchmal die besten sein können. ALBTRÄUMER entlädt in der Hitze des Sommers ein Familiendrama, was 2 lange Jahre auf Eis gelegen hat und jetzt unter der Hand zweier junger Herzen überkocht. Schmerzhaft schön und intensiv erzählt.
Er läuft in manchen Kinos noch, kommt aber bestimmt bald als Stream und DVD raus!
Deutschland/93 Minuten
Bild: © Universal Pictures Germany
Sogar mehr als ein Jahr habe ich auf diesen Film gewartet. Und selbst nachdem ich jetzt PROMISING YOUNG WOMAN gesehen habe, tu ich mich schwer mit einer Genre Zuteilung. Ist es ein Drama, ein Thriller, ein Revenge-Drama-Thriller. Vielleicht so etwas. Aber worum geht eigentlich. Wir lernen Cassie 7 Jahre nach dem Selbstmord ihrer Freundin Nina kenne. Sie arbeitet in einem Coffeeshop und geht einmal die Woche aus, aber nicht um Spaß zu haben. Sie tut so als sei sie sturzbetrunken und hilflos und erteilt den Männern, die versuchen dies auszunutzen eine kleine Lektion. Das könnte ewig so weitergehen, doch da holt sie ihre Vergangenheit ein.
PROMISING YOUNG WOMAN greift ein Thema auf bei dem die Gesellschaft gerne wegschaut, vorverurteilt und die Schuld beim Opfer sucht. Sexuelle Gewalt ist keine Thema für den Sonntagsbrunch, aber Carey Muligan und Regisseurin Emerald Fennell erteilen uns eine Lektion im “Hinschauen”. Sie lassen uns nicht wegschauen. Nicht beim Verhalten der Männer, die Cassie in Clubs und Bars kennenlernt, aber auch nicht bei Ninas Schicksal.
Denn Cassies Freundin hat auch sexuelle Gewalt erfahren und sich deswegen umgebracht.
Cassies Schmerz über den Verlust, aber auch ihre perfide Suche nach Vergeltung und Gerechtigkeit, denn Ninas Peiniger wurden nie angeklagt, breitet sich so eindringlich über die über 2 Stunden aus, dass Cassies ganz persönlicher Rachefeldzug und die Selbstjustiz fast schon gerechtfertigt wirken. Der Film erzählt schonungslos von legitimer sexueller Gewalt, der Stigmatisierung von Opfern und dem Schmerz, den Nina getötet, Cassie gebrochen und die Gesellschaft hat wegsehen lassen.
Sollte zeitweise Popcornkinofeeling aufkommen, dann täuscht das. Der Film weiß, wie er unser Vertrauen bekommt. Und Vorsicht! Dem ein oder anderen könnte seine Selbstgefälligkeit zusammen mit dem Popcorn im Halse stecken bleiben, denn nicht nur die Täter sind hier schuldig, sondern auch die, die bagatellisieren und wegschauen. Fokussiert und grausam reflektiert: PROMISING YOUNG WOMAN mit einem unbequemen Thema, dass noch viel lauter werden muss und einer beeindruckenden Carey Mulligan.
Ab dem 16. August im Kino!
Regie: Emerald Fennell
USA/108 Minuten
Bild: © Salzgeber & Company Medien
Das deutsche Drama DAS MÄDCHEN UND DIE SPINNE präsentiert uns in einer sehr künstlerischen Form die Dramaturgie eines Umzuges und die eines Abschiedes.
Lisa zieht aus der gemeinsamen Wohnung mit Mara aus. Sie waren nie zusammen und irgendwann bekommt man das Gefühl, dass sie auch nie Freunde waren.
Immer wieder offenbaren sich die Umzugshelfer Mara. Teilen ihr ihre tiefsten Geheimnisse und Gefühle mit. Sie scheint immer mehr am Rand zu stehen, zu beobachten. Passiv mit einem schelmischen Blick der sich nur selten deuten lässt.
Das Milieu des einfachen Spielfilms haben wir längst verlassen und wir bewegen uns mit Mara zwischen den Welten. Mara ist Publikum und Akteurin zu gleich.
Immer wieder bricht das zarte soziale Gefüge der Umzugshelfer durch angedeutete Konflikte und scharfe Worte auf. So empfindlich wie die kleine Spinne, die Mara kurz über ihre Hand krabbeln lässt. Erst gegen Ende versteht man das Mara der Impulsgeber für alle dies ist. Sie manipuliert und flunkert, hinterlässt Spuren auf den letzten Metern dieses Abschiedes. Weil sie Lisa nicht loslassen kann? Weil sie eine übergeordnete Aufgabe hat von der wir nicht wissen können? Wer ist sie eigentlich? Ein Geist? Vielleicht ein bisschen von allem.
DAS MÄDCHEN UND DIE SPINNE verwirrt und besänftigt zu gleich. Irgendwann stellt sich die Frage nicht mehr nach dem warum, denn wir haben ja Mara an unserer Seite, die alles zu wissen scheint. Und vielleicht ist dies nur ein Film über das sich Trennen zweiter Wege, Impression eines Abschieds, aber warum lässt einen dieses kribbelige Gefühl nicht los? Wie Spinnenbeine auf nackter Haut.
Man muss solle Filme mögen. Ganz klar. Das obligatorische von A nach B, der Umzug, ist hier nur Vorwand für etwas tieferliegendes, in welchem jeder etwas anderes, aber bedeutendes Sehen kann. Am Ende steht keine Lebensweisheit, keine Lektion, aber es bleibt das Gefühl der feinen Zwischentöne, die hängen bleiben. Hat man sich doch gegen Ende in Maras Netz verfangen.
Mystisch und intim: Das Drama DAS MÄDCHEN UND DIE SPINNE.
Als Stream erhältlich im Salzgeber Club auf Vimeo.
Regie: Ramon Zürcher, Silvan Zürcher
Deutschland/98 Minuten
Bild: © Salzgeber & Company Medien
In dem queeren Drama NEUBAU sehnt sich Markus nach dem rauschenden Trubel Berlins. Aber im Moment kümmert er sich in der brandenburgischen Provinz um seine demente Oma Alma und trifft sich manchmal mit seinen Grindr-Dates. Doch das ist ihm nicht genug. Als er endlich beschließt in die Großstadt zu gehen, begegnet er dem Fernsehtechniker Duc. Die Koffer sind schon gepackt und trotzdem hat Marcus plötzlich Zweifel.
NEUBAU ist einer dieser Filme der dich für eine kurze Zeit in sein ganz eigenes Universum führt. Und er scheut sich nicht die großen Fragen des Lebens zu stellen. Wer bin ich? Wo will ich hin? Was ist Heimat? Wir begleiten Markus und doch scheinen sich seine tiefsten Gedanken uns nie wirklich zu offenbaren. Wir spüren diese große Einsamkeit, die perfekt mit den Impressionen der weiten Landschaft verschmilzt. Und wir fühlen den Rhythmus dieses zunächst sehr ruhigen Films, der uns immer mehr eintauchen lässt. In Markus Leben, das ihn in der Provinz mehr und mehr zu erdrücken droht. Ob es die Krankheit der Oma ist oder die Energie einer neuen Begegnung, die ihm den Blick in die Ferne wagen lässt, weiß man nie so genau.
Auch Duc tut nichts dafür um in diese innerliche Zerrissenheit Ordnung zubringen. Und so schwebt der Zuschauer mit Markus über die weiten Wiesen und Wälder hinweg. Fühlt sein Verlangen, seinen Schmerz, sein Fernweh, seine Liebe. Und man würde noch gerne länger bleiben, aber da sind die 1,5 Stunden auch schon rum und was zurückbleibt ist der kurze Blick in ein fremdes Leben, dass einem jetzt so vertraut ist wie selten etwas. Ohne Hast und doch so intensiv.
Demnächst als Stream und DVD!
Regie: Johannes Maria Schmit
Deutschland/81 Minuten
Bild: © Salzgeber & Company Medien
Das deutsche Coming of Age-Drama KOKON spielt 2018 in Berlin. In diesem heißen Sommer, der uns wohl allen noch im Gedächtnis geblieben ist, passiert ganz schön viel bei der 14-jährigen Nora. Sie bricht sich die Hand bei einem Trinkspiel, bekommt mitten im Sportunterricht zum ersten Mal ihre Periode und sie verliebt sich in die geheimnisvolle Romy, gespielt von Jella Haase. Ein Sommer voller verwirrender Gefühle und wundervoller Erinnerungen.
Was mich sofort in diesem Film gefangen genommen hat, ist die Atmosphäre. Man will einfach Teil von diesem Sommer sein. Und die Geschichte von Nora ist so herzlich und authentisch, dass man sofort drin ist. Ich liebe Jella Haase und sie passt perfekt auf die Rolle, als die selbstbewusste und geheimnisvolle Liebe aus der Ferne. Sie hilft Nora, als diese ratlos auf der Schultoilette sitzt und sie nicht weiß, wohin mit der blutigen Hose. So eine intime und reale Szene zum Thema Menstruation habe ich selten im Film gesehen. Der Film macht keinen dummen Witz aus Noras Schrecken und Hilflosigkeit und betont auch nicht übertrieben, wie unangenehm das doch jetzt ist! Die Regisseurin erzählt hier „die erste Periode“ ernst und authentisch ohne es als „Tabuthema“ noch weiter in den Hintergrund zu drücken. Es ist das normalste der Welt. Punkt.
Romy erschüttert die Welt von Nora voll und ganz und dieser ganze Sommer wird zu einer traumhaften Reise ins Erwachsen werden.
Ich habe das Gefühl, dass der Film dramaturgisch etwas verschoben ist. Er braucht lange für den Aufbau, aber es passt absolut. Es fühlt sich nicht falsch an, dass er erstmal einfach läuft und die Welt von Nora und ihrer Schwester etabliert. Man muss verstehen wie eng die Schwestern verbunden sind und wo eigentlich die Mutter bleibt. Einfühlsam, spannend und ehrlich erzählt. Das ist die Art von deutschem und auch queerem Film, die es gerne öfter geben kann.
Als Stream erhältlich im Salzgeber Club auf Vimeo.
Deutschland/94 Minuten
Bild: © Constantin Film Verleih
In dem Drama KAMMERFLIMMERN spielt Matthias Schweighöfer den Rettungssanitäter Crash. Mit 7 Jahren sind seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen und seit dem sucht ihn das Passierte immer wieder in seinen Träumen heim, aber auch das Gesicht einer unbekannten Frau taucht immer wieder auf.
Crash weiß nicht wirklich, was er davon halten soll bis er auf November, gespielt durch Jessica Schwarz, trifft. Diese ist hochschwanger und hat gerade ihren Freund verloren, doch sofort scheint eine enge Verbindung zwischen den Beiden zu bestehen, auch wenn der Job immer mehr an Crashs Seele zehrt. Er ist noch nicht so abgeklärt, wie seine Kollegen und lässt oft das Leid und den Schrecken, den er erfährt zu sehr an sich ran. Das macht ihn zwar zu einem guten Sanitäter, der anpackt und ohne Berührungsängste das tut, was getan werden muss, aber dabei vergisst er sich selbst.
Matthias Schweighöfer spielt hier eine so zarte und verletzliche Figur, dass man aufpassen muss sich nicht in der Traurigkeit und der Rastlosigkeit von Crash zu verlieren. Man spürt, dass er etwas wieder gut machen möchte: etwas unerreichbares, eine untilgbare Schuld, die selbst er nicht definieren kann. Dem gegenüber steht das herzzerreißende und großartige Spiel von Jessica Schwarz. Ihre Figur scheint in Crash etwas anzuknipsen und das Zitat: “Wenn’s sie gibt, gibt's mich auch!”, gibt mehr über seinen Charakter preis, als es so mancher großer Dialoge das schaffen könnte. Der Film ist realistisch mit realen Menschen und er tut weh, er berührt mich,
lässt mich eindringen und zurückschrecken - er bewegt mich. Er findet die Balance zwischen tiefgründigen Figuren, guter Story und einer Stimmung, die einen reinzieht.
Und absoluter Pluspunkt: Der Soundtrack! Er leitet jetzt nicht dominant durch den Film, aber er ist eine großartige Ergänzung.
Im Moment nur als DVD und nicht als Stream erhältlich!
Regie: Hendrik Hölzemann
Deutschland/100 Minuten
Bild: © UNIVERSAL PICTURES GERMANY
In dem amerikanischen Drama NEVER RARELY SOMETIMES ALWAYS ist die 17-jährige Autumn schwanger. Auf die Unterstützung ihrer Eltern kann sie nicht bauen, also reist sie heimlich mit ihrer Cousine Skylar nach New York, um das Kind abtreiben zu lassen. Doch das wird schwieriger als gedacht.
Im Deutschen trägt er den Titel NIEMALS MANCHMAL SELTEN IMMER. Finde ich etwas sperriger als den englischen Titel und ich muss zugeben, am Anfang war ich nicht so ganz überzeugt von diesem Film, da ich nicht ausmachen konnte, wo er hin wollte. Aber dann spielt sich dieses stille, unscheinbare Mädchen, gespielt von Newcomerin Sidney Flanigan, so langsam und tief ins Herz, dass es nur einen kurzen Moment braucht, dass einem die Tränen in die Augen schießen. Man versteht plötzlich, wieso sie dieses Kind nicht bekommen will, nicht bekommen kann und warum sie so lange geschwiegen hat.
Der Film zeigt Autumns mutigen Weg in so einer Detailgenauigkeit, dass es oft nicht zu ertragen ist. Dabei ist die Kamera meist ganz nah und sucht nach einer Regung, einer Emotion, die dieses stille Mädchen so tief in sich vergraben haben muss, dass es weh tut. Der Film braucht keine großen Worte, keine Reden, keine Statements, sondern nur das Schweigen zweier Freundinnen, um so einem tabuisierten Thema so viel Stimme zugeben.
NEVER RARELY SOMETIMES ALAWAYS ist ein unbequemer, aufwühlender und wichtiger Film, den das Thema Abtreibung hatte so eine Geschichte auf der Leinwand bitter nötig. Er romantisiert nicht, aber dramatisiert auch nicht, sondern zeigt die Realität, zeigt das Schicksal von vielen jungen Frauen, welches sonst oft im Verborgenen bleibt. Ein Zustand, den wir nicht länger dulden können, ganz klar!
Zurecht wurde dieses mitreißende Drama mit Applaus und stehenden Ovationen auf der Berlinale gefeiert.
Ab dem 1. Oktober 2020 im Kino!
>>> Trailer & Meine Filmkritik auf YT
USA, Großbritannien - 104 Minuten
Regie: Eliza Hittman
Text: © Clara Wignanek
Bild: © Ascot Elite Filmverleih
Jane (Julia Garner) hat einen Job als Assistentin bei einem mächtigen Unterhaltungs-Mogul. Ihr Tag ist geprägt von Kopieren, Kaffeekochen und Telefonieren. Doch obwohl sie erst seit Kurzem dort arbeitet, wird für sie der Missbrauch an jungen Frauen durch ihren Chef immer offensichtlicher, bis Jane es nicht mehr ertragen kann.
Die Geschichte basiert auf den Erfahrungen einer ehemaligen Assistentin von Filmproduzent Harvey Weinstein.
Obwohl die Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht, scheint ihr die Rolle auf den Leib geschrieben zu sein. Sie ist die stille dritte Hand eines mächtigen Mannes, den man übrigens nie zu Gesicht bekommt. Ebenso haben die Geschäftsmänner, die bei ihm ein und aus gehen durch geschickte Bildausschnitte keine Köpfe, was seitens der visuellen Gestaltung, aber auch für den Plot, ein schönes, unverbrauchtes Detail ist. So bekommt der Täter, aber auch die, die schweigen, etwas Bedrohliches, etwas Unantastbares.
Ebenso ist erfrischend, dass die Handlung an einem einzigen Tag stattfindet. Man braucht nur einen Tag, um als Zuschauer zu verstehen, dass hier etwas falsch läuft. Unterschützt wird dieses Gefühl von diesen kleinen Gesten, Blicken und Momenten, die in ihrer Gesamtheit so viel Sprengkraft besitzen, dass das Schweigen und die Untätigkeit irgendwann unerträglich werden.
Jeder weiß es, aber alle machen weiter und das ist einfach schockierend. Wie ein Virus verschlingt das Wegsehen jeden, der diesen Strukturen zu nahe kommt. Und so ist auch Jane keine Heldin im üblichen Sinne, denn der Film erzählt authentisch und nachvollziehbar ihre Hilflosigkeit. Er lässt ein Stück weit verstehen, wie Männer wie Weinstein so lange unbehelligt weitermachen konnten. Er entschuldigt nicht das Schweigen, aber erklärt zumindest, warum so lange niemand etwas gesagt hat.
Endlich hat der Film einen Verleih gefunden und am dem 13. November gibt es ihn auf DVD!!!
>>> Trailer & Meine Filmkritik auf YT
Regie: Kitty Green
USA/88 Minuten
Bild: @ Salzgeber & Company Medien
Absolut jeder hatte schon einmal einen Albtraum, der nicht enden wollte und der einen noch lange bis in den Tag verfolgt hat… Genau dieses unangenehme ekelige Gefühl erschafft der Film SCHLAF. Eigentlich mag ich keine Horrorfilme, aber dieser hier...
Marlene glaubt, die Albträume, die sie hat, wären Realität. Marlenes Tochter, Mona, macht sich deswegen große Sorgen. Ohne ihr Wissen fährt Marlene an den Ort, ein Hotel in einem abgelegenen Kaff, von dem sie immer träumt. Dort erleidet sie einen Schock und muss ins Krankenhaus. Schnell versteht Mona, dass sie ihrer Mutter am Krankenbett nicht helfen kann und so nimmt sie sich, auch weil es nicht wirklich Alternativen gibt, selbst ein Zimmer in dem besagten Hotel. Es dauert nicht lange und sie hat selbst die gleichen Träume wie ihre Mutter. Auf den ersten Blick keine typischer Plot für einen Horrorfilm.
Und genau das macht den Film so besonders. Im Vordergrund steht nicht der bloße Horror. SCHLAF arbeitet nicht mit billigen Jumpscares und Ekel, sondern er baut langsam eine Stimmung auf, die verstörenden, wie schön absurden Horror zulässt.
Die Vergangenheit holt die Gegenwart ein. Es geht um Vererbung von Traumata, die in Träumen die nächsten Generationen Mona und ihre Mutter heimsuchen. Die Schuld will nicht mehr schweigen.
Der Film packt einen genau da, wo es besonders unangenehm ist: In unserem wohlverdienten Schlaf! Natürlich wurde dieses Thema schon etliche Male über die Leinwand gejagt, Freddy Krueger lässt grüßen, aber dieser Film geht einen Schritt weiter. Es geht um Albträume, die generationsübergreifend agieren. Ein absolute Horrorvorstellung! Der Film stellt das glaubhaft und herrlich gruselig da, mit einer leichten Prise Humor.
Nicht nur etwas für Horrorfans!
Ab dem 29. Oktober 2020 im Kino!
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Deutschland/101 Minuten
Regie: Michael Venus
Text: © Clara Wignanek
Bild: © Farbfilm
Der Film TAXI – NACH DEM ROMAN VON KAREN DUVE spielt in den 80er Jahren in Hamburg und hat die junge Alex als Hauptfigur. Die hat ihre Ausbildung bei einer Versicherung abgebrochen und beschließt kurzerhand, um Geld zu verdienen, Taxi zufahren. Dabei trifft sie auf den ein oder anderen interessanten Fahrgast.
Rosalie Thomass als Alex scheint für diese Rolle wie geschaffen und über ihre Leistung muss hier gar nicht diskutiert werden! Umso mehr überrascht hier Co-Star Peter Dinklage, bekannt aus dem Fantasie-Epos GAME OF THRONES. Den hätte ich in einer deutschen Dramakomödie wirklich nicht erwartet, aber gut tut der dem Film auf jeden Fall.
Das Milieu, in welches man zusammen mit der Figur abtaucht, ist hier Stimmung pur. Die Taxifahrer unter sich, das ist wie eine eingeschworene Bubble, die Fremde misstrauisch beäugt und dabei kantige, schmierige, witzige, aber auch durchaus charmante Charaktere offenbart. Der Cast überrascht da mehr als einmal. Ich sag nur Gastauftritte!
Alex passt dann doch überraschend gut in diesen bunten Haufen, denn das ist der zweite Punkt, der den Film so sehenswert macht: Alex ist ein mutiges, selbstbewusstes Mädel mit knallrotem Lippenstift. Sie ist direkt und scheint keine Angst zu haben! Denn natürlich will sie die Nachtschicht, weil sie da am meisten Kohle verdienen kann. Die betrunkenen und finsteren Gestalten sind ihr da herzlich egal. Bei diesen Fahrten trifft sie dann auf Marc, gespielt durch Dinklage, und irgendwie passiert da was zwischen den beiden, aber eigentlich hat sie ja jetzt einen Freund...
TAXI lohnt sich jede Minute sei es nur, um Rosalie Thomass und Peter Dinklage als Paar zu sehen. Die beiden sind großartig zusammen. Ich finde der Film ist viel zu schnell wieder verschwunden, als er rauskam und das hat er wirklich nicht verdient. Deswegen meine Empfehlung!
Als Stream auf Amazon Prime und iTunes erhältlich!
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Deutschland 2015 - 98 Minuten
Regie: Kerstin Ahlrichs
Text: © Clara Wignanek
Bild: © Salzgeber & Company Medien
Die Schülerinnen Oona und Ari kommen auf den ersten Blick aus zwei völlig verschiedenen Welten. Aris Zuhause ist farbenfroh und bürgerlich, wohingegen Oonas Familie eher locker und in dunklen Farben daherkommt. Zwar ist ihr Vater Künstler, hat aber schon lange keinen Erfolg mehr und zwischen Oonas Eltern kriselt es ordentlich. Diese Krise findet ihren traurigen Höhepunkt, als sich Oonas Vater umbringt!
Aber auch in Aris Familie läuft so gut wie gar nichts rund. Der Bruder spielt dauerhaft den eingebildeten Kranken und tyrannisiert damit die ganze Familie. Die Mutter verliert sich blind und aufopferungsvoll in der Pflege des Jungen und der Vater steht hilflos daneben. Ari ist dadurch mittlerweile völlig abgeklärt und kalt geworden. So finden diese beiden Mädchen, von ihrem sozialen Umfeld gebeutelt, zueinander: Ein Pulverfass, dass nur auf eine brennende Lunte gewartet hat!
Wir haben es hier auf keinen Fall mit einem typischen Coming-of-Age-Jugenddrama zu tun. Dieser Film ist ein weibliches Buddy-Movie mit grandios eingesetzten Elementen aus Musikvideo, Graphic Novel, Kunstperformance und mit zwei mehr als sympathischen Hauptprotagonistinnen. Aus den beiden Mädchen entsteht eine Fusion, die ihres Gleichen sucht. Hier trifft Lolita auf Goth, Zucker auf Lakritze, Tüll auf Leder, Kunterbunt auf Pechschwarz. Und eines wird sofort deutlich: Die beiden haben es faustdick hinter den Ohren! Mit jeder Begegnung werden sie mutiger, wilder, gieriger und die Eskalation scheint bald unausweichlich. Püppchen und brav war gestern und man wartet irgendwann nur noch hibbelig und angestachelt auf den großen Knall.
Wir sehen Jella Haase (Ari), und ja, es gab sie schon vor FACK JU GÖHTE (2013), in einer ihrer ersten Kinorollen und ihr großes Talent ist hier schon unübersehbar. Sie gibt schonungslos den Blick frei auf eine geschundene Teenagerseele und bildet so mit Sarah Horvath (Oona) die beste Voraussetzung für ein unzertrennliches Duo. Man sieht den Mädchen gerne, gerade zu voyeuristisch dabei zu, wie sie ihre Beute immer weiter in die Enge treiben. Parallelen zu dem Klassiker GLOCKWORK ORANGE (1972) sind hier nicht auszuschließen und das kann doch nur für dieses knallbunte und gleichzeitig herrlich düstere Buddy-Movie sprechen, oder?!
Im Moment leider nicht als Stream verfügbar, aber er ist für in paar Euro auf DVD bei Amazon zu haben!
>>> Trailer!
Deutschland - 96 Minuten
Regie: Ziska Riemann
Text: © Clara Wignanek
Bild: © Sony Pictures Germany
Das Drama WILDLIFE hatte ich 2018 auf dem Filmfestival Braunschweig gesehen und ab da tauchte es immer wieder in meinem Kopf auf. Ein gutes Zeichen für einen Film, oder?
Joe und seine Eltern leben in einer Kleinstadt in Montana. Als der Vater dringend einen neuen Job braucht, schließt er sich Feuerwehrleuten an, um einen Waldbrand in der Gegend zu bekämpfen. Ab da ist Joes Mutter nun allein, welche bis dahin nur Hausfrau war. Mit dem Gedanken, dass ihr Mann vielleicht nie wieder zurückkehrt, beginnt für die Mutter ein täglicher Kampf ums Überleben, der nicht nur an ihr Spuren hinterlässt. Denn auch Joe muss jetzt mit rasender Geschwindigkeit erwachsen werden.
Zwar ist die Besetzung mit Jake Gyllenhaal und Carey Mulligan als Eheleute ein echter Hingucker, aber der eigentliche Star ist hier der Jungschauspieler Ed Oxenbould, der hier sein ganzes schauspielerisches Können unter Beweis stellt. Gleichzeitig wird hier eine einfache, aber trotzdem ungewöhnliche Geschichte erzählt, die sich die Frage nach der Rollenverteilung in einer Ehe stellt. Der Film zeigt, was es mit einem Menschen macht, wenn die eigene Rolle plötzlich aufgebrochen wird. Der Vater ist hier nicht mehr der Versorger und die Mutter sucht jetzt neue Wege. Als zunächst stummer Beobachter steht am Rand der 14-Jährige Sohn, der mehr als überfordert ist und dies lässt uns die Figur auch spüren - bis man es nicht mehr aushält. Dieser stille Ausnahmezustand einer Familie kriecht in die Glieder und scheint dort vibrierend auf die unausweichliche Eskalation zu warten. Ein ganz eigenes und ungewöhnliches Filmerlebnis.
WILDLIFE ist ein in sich runder und starker Film, der einen tief in den Menschen und seine Rolle in der Gesellschaft blicken lässt. Schade, dass er es bei uns nie richtig ins Kino geschafft hat.
Als Stream bei Amazon Prime, Google Play und YouTube ab 9,99 €!
>>> Trailer!
Regie: Paul Dano
USA - 105 Minuten
Text: © Clara Wignanek
Ich habe mir gestern einen richtig schönen Abend gemacht: Mit der fantastischen französischen Komödie L`AUBERGE ESPANOLE – BARCELONA FÜR EIN JAHR und dem ebenso witzigen zweiten Teil L´AUBERGE ESPANOLE 2 – WIEDERSEHEN IN ST. PETERSBURG.
Worum geht es: Der junge Xavier studiert Wirtschaft und möchte, um seine Jobchancen zu verbessern, ein Jahr in Barcelona verbringen. So beginnt das Chaos und wie er selbst sagt, eines der besten Jahre seines Lebens.
Es geht hier grob gesagt um Identität, Nationalität, Freundschaft, Europa, den ganz normalen Wahnsinn in den 20ern UND um eine ganz besondere WG, in welcher Xavier während seines Aufenthalts wohnt.
Der Film ist eigentlich ein einziger Monolog voller tiefster Gedanken und simpler Alltagsbeobachtungen. Sympathisch und unterhaltsam. Die Erzählweise lässt mich dem Hauptprotagonisten ganz nah sein und legt so mutig seine Stärken, aber auch Schwächen, zwanglos offen. Es werden keine Spielchen gespielt. Xavier ist hier so etwas wie ein allwissender Erzähler. Und wer auf den kreativen und passenden Einsatz von Splitscreens steht, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Parallelmontage mit krampfigen aufeinander folgenden Schnitten war gestern.
Im zweiten Teil geht es dann mehr um die Liebe und um Beziehungen. Xavier ist jetzt nämlich Autor und seine ehemaligen Mitbewohner aus Barcelona haben sich wieder über ganz Europa verteilt. So erzählt er uns auf der Toilette eines Schnellzugs sitzend, was seit seiner Zeit in Barcelona passiert ist. (In meinen Augen eine großartige Klammer für die Geschichte.) Es geht wieder um den ganz normalen Wahnsinn des Lebens und nicht um einen krassen Plottwist, sondern es unterhält hier einfach das Miteinander der Figuren und der Alltag von Xavier, (welchen er immer als zu kompliziert bezeichnet.) Und es gibt Sprachen! So viele Sprachen! Hier stellt sich gar nicht die Frage, ob man es im Original schauen soll oder nicht. Untertitel gibt´s immer. Egal in welcher Version. Ich empfehle die Off-Stimme von Xavier, welche leider mit einem schrecklichen Akzent versetzt wurde, auf Deutsch und alles andere im Original. So behält man halbwegs den Überblick. Leider schwächelt der zweite Teil etwas. Xaviers Figur zeigt nicht nur Schwächen, er wirkt manchmal sogar geradezu unsympathisch. Er kann zu keiner schönen Frau Nein sagen, ist manchmal ganz schön oberflächlich und was die Liebe angeht, etwas schwer von Begriff. Aber keine Sorge: Am Schluss bekommt er noch die Kurve. Diese kleine Durststrecke schadet dem zweiten Teil nicht allzu sehr und so lässt sich mit beiden Filmen der Abend sehr gut füllen!
Ach ja, es gibt noch einen dritten Teil: BEZIEHUNGSWEISE NEW YORK (2013). Dieser hat aber eine komplett andere Machart und wirkt nicht mehr so schön kollagenartig, wie die ersten beiden Teile. Er ist trotzdem sehenswert, besprechen tu ich ihn aber hier ein anderes Mal.
Beide Filme kann man für ein paar Euro bei Amazon Prime schauen!
Regie: Cédric Klapisch
Frankreich -122 Minuten & 129 Minuten
Bilder: © Tobis-Melodiefilm GmbH
Text: © Clara Wignanek
Bild: © Sony Pictures Germany
Ellen ist Autorin und keine leichte Zeitgenossin. Gerade hat sie sich von ihrer aktuellen Lebenspartnerin getrennt. Aber Zeit zum Durchatmen hat sie kaum, denn da taucht ihre Enkelin Sage auf und braucht Geld. Genau 630 Dollar, denn sie ist schwanger und der Termin für die Abtreibung ist noch am gleichen Tag. Nun haben die beiden Frauen einen knappen Tag Zeit, das Geld zusammen zu bekommen, denn finanziell sieht es auch bei Ellen nicht gerade rosig aus.
Die Drama-Komödie GRANDMA ist ein ungewöhnliches Buddy-Movie, was aber feinfühlig die richtigen Töne trifft. Die Abtreibung von Sage wird nicht als großer Aufschrei inszeniert, sondern tritt eher in den Hintergrund für die Beziehung zwischen Großmutter und Enkelin. Sie ist zwar Auslöser für diesen ungewöhnlichen Roadtrip, aber das Thema überschattet nicht den ganzen Film. Es geht vielmehr um Selbstbestimmung und Verantwortung.
Großmutter Elle ist Feministin, mit allen Wassern gewaschen und sagt frei heraus, was sie denkt. Erst später offenbart sich ihr weicher Kern. Hier knallen nicht klischeehaft Generationen aufeinander, sondern der Film erzählt gefühlvoll und mit einem ehrlichen Blick die Beziehung zwischen den beiden Frauen. Gleichzeitig erfährt man trotz des beschränken Erzählfensters von einem Tag, durch eine grandiose Erzählweise, so viel mehr über die komplexen Figuren. Eine Aufgabe an der sich so manche Drehbücher schon ordentlich die Finger verbrannt haben. Etwas im Dialog erzählen ohne, dass es die ZuschauerInnen als Information wahrnehmen, ist eine Kunst und diese meistert der Film stolperfrei.
GRANDMA erzählt authentisch eine Geschichte von Menschen, Emotionen und Beziehungen: Liebesbeziehungen, Bindungen zwischen Mutter und Tochter, Großmutter und Enkelin, aber auch die Beziehung zwischen Mensch und Gesellschaft. Es geht um Feminismus, den Mut für sich selbst einzustehen UND seinen eigenen Wert, aber auch den Wert seiner Liebsten, zu erkennen.
Und da wäre natürlich noch Julia Garner. Wer meine Filmkritik zu THE ASSISTANT gelesen hat, weiß, dass es mir diese junge Frau mit den zarten blonden Locken einfach angetan hat. Es ist so schade, dass GRANDMA es bei uns nur als DVD auf den Markt geschafft hat und ich bezweifle, dass es THE ASSISTANT ins Kino schaffen wird. So kann ich nur GRANDMA als ein gut gemachtes und besonderes Buddy-Movie mit großartiger Besetzung wärmstens empfehlen!
Als Stream bei YouTube, Amazon und Google Play ab 2,99 € erhältlich!
>>> Trailer!
Regie: Paul Weitz
USA/79 Minuten
Text: © Clara Wignanek
Bild: © Alamode Film
Ich wollte diesen Film schon lange sehen, aber ich hatte irgendwie Respekt vor ihm und habe es herausgezögert. Da ich jetzt aber zwangsweiße Zuhause bleibe und nochmal vom Trailer total geflasht wurde, hatte ich keine Ausrede mehr.
Ende des 18. Jahrhunderts soll die Pariser Malerin Marianne auf einer Insel das Hochzeitsporträt einer jungen Frau malen. Das Problem: die ehemalige Klosterschülerin Héloïse will nicht gemalt werden. So muss Marianne bei täglichen Spaziergängen heimlich ihr Äußeres studieren. Dabei entspinnt sich ein tiefes Miteinander zwischen den beiden Frauen.
Es ist immer schwierig zu sagen, etwas ist schön. Schönheit ist so etwas Subjektives. Doch die Ästhetik in diesem Film hat mich einfach umgehauen. Jedes Bild, jede Figur, jeder Raum scheint einem Gemälde entsprungen zu sein. Das Kostümdesign ist einfach wie zielstrebig. Die Kleider der beiden Frauen: am Anfang rot und blau. Zwei absolute Gegensätze, aber ohne einander können sie auch nicht. Heiß und kalt. Feuer und Wasser. Und irgendwann wird das Kleid grün. Ganz Einfach!
Es geht um zwei Figuren, zwei Frauen, die unterschiedlicher in ihrem Lebensweg nicht sein könnten und trotzdem wirkt es so, als hätten sie schon immer auf diese Begegnung gewartet. Der Film lebt von Blicken und Farben. Mehr braucht es nicht.
Aber reichen ein paar Tage, ein paar Filmminuten, umso eine Verbundenheit und Zuneigung zueinander authentisch zu entwickeln und zeigen zu können? Manchmal braucht es nicht mal mehr als einen Augenblick und das hat Regisseurin Céline Sciamma verstanden. Marianne und Héloïse, zwei starke, unabhängige, kreative Frauen, die in einer Zeit leben, die so etwas einfach nicht duldet. Das macht wütend, das macht traurig und berührt.
Der Film erzählt auf so eine überraschende einfache Art und Weise, dass er trotz seiner Länge niemals langweilt. Ein Kammerspiel, dass mitten ins Herz trifft und da noch eine ganze Weile bleibt. Einfache, sinnliche und über alle Maße beeindruckende Filmkunst.
Als Stream bei YouTube, Amazon und Google Play ab 3,99 € erhältlich!
>>> Trailer & Meine Filmkritik auf YT!
Regie: Céline Sciamma
Frankreich/122 Minuten
Text: © Clara Wignanek
Bild: © Koryphäen
Für den Film DAS SCHÖNSTE PAAR muss man starke Nerven mitbringen. Das Paar Liv und Malte könnten glücklicher nicht sein. Doch ihre Urlaubsidylle wird brutal durch den Überfall von drei Jugendlichen zerschnitten. Das Martyrium endet damit, dass Liv vergewaltigt wird. Bilder die kaum auszuhalten sind! Zwei Jahre später scheinen sich die beiden langsam wieder auf etwas zu zubewegen, was man Normalität nennen könnte. Doch durch einen Zufall trifft Malte auf einen der Angreifer und alles ist wieder da.
Obwohl Liv einfach nur noch vergessen möchte, kann Malte nicht mit dem Geschehenen abschließen.
Glaubt man nach den ersten unerträglichen 10 Minuten den Schrecken hinter sich zu haben, so geht der Film dann doch erst richtig los. Und damit setzt er seinen Fokus genau richtig. Er schaut auf das “Danach”. Was macht so ein Erlebnis mit dem Menschen? Was macht es mit der Beziehung? Dabei bleibt der Film einfühlsam, schont aber nicht. Der Zuschauer kann selten durchatmen, denn der Film lässt immer wieder den Schmerz und die Ohnmacht der Figuren aufleben. Dabei gehen die intensive Bildsprache und das beeindruckende Schauspiel von Luise Heyer und Maximilian Brückner perfekt ineinander. Zwischen den beiden herrscht eine Dynamik, wie man es selten sieht.
So kann man sich der aufgeriebenen Stimmung des Films irgendwann nicht mehr entziehen. Man wünscht dem Paar das Unaussprechliche. Irgendein eine Art von Vergeltung, sonst zerbrechen sie. Fernab des Rechtssystems. Doch das kann ja nicht die Lösung sein, oder? Die Antwort? In dem nervenaufreibende Drama DAS SCHÖNSTE PAAR.
Als Stream bei YouTube, Amazon und Google Play ab 2,99 € erhältlich!
>>> Trailer & Meine Filmkritik auf YT!
Regie: Sven Taddicken
Deutschland/93 Minuten
Text: © Clara Wignanek
Vielleicht was für den DVD-Abend?
Meine Reise auf das Filmfestival
in der Hauptstadt!